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Die Cigarrenkiste

Manchmal schlicht Behältnis, manchmal Schmuckkästchen, oft bunte Pappschachteln oder praktische Blechbox - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Einige reduziert auf die Funktion, zum Schutz der Cigarre, andere moderne " Antiquität " wieder andere pulsierender Zeitgeist - doch immer gilt: Häßlichkeit verkauft sich schlecht. Oft steht zu lesen über Cigarren im Allgemeinen und im Besonderen, doch die Cigarrenkiste ist ein Stiefkind der Schreiberzunft. Eine unbeachtete Nebensache, aber dennoch einige Zeilen der Betrachtung wert:

Was ich mich schon immer gefragt habe ist: wo bleiben eigentlich die vielen leergerauchten Kistchen und mit zunehmender Lebenserfahrung sieht man die Antwort klar vor Augen. Wir sind ein Volk von Schachtelsammlern! Kleine Schachteln für Stecknadeln mittlere für Schrauben, Nägel oder Knöpfe; größere Schachteln als Wechselgeldkasse für den Wohltätigkeitsbasar. Kleine Schachteln für kleine Sorgen und große Schachteln für große Sorgen.

Für jede haben wir etwas hineinzugeben, geradezu Ordnungsprinzip und Bestandteil unserer kleinbürgerlichen Idylle.

Holzschachteln sind in der Regel besonders schön und sie verkörpern die Tradition. Die Cigarre kommt wieder und mit ihr die Holzkiste in jeder erdenklichen Art.

In unserer technisierten Welt hat man nur eine diffuse Vorstellung und kaum einer hat sich je gefragt, wie wird diese hergestellt? Spontan fällt mir die Sendung mit der Maus ein, sicher ein lohnendes Thema dafür.

Man stellt sich vielleicht eine Fabrik vor, in welche man vorn Bäume einbringt und die, durch menschenleere Hallen wie von Geisterhand bewegt, am anderen Ende fertige Kistchen auswirft. Weit gefehlt. Gern erinnere ich mich an unseren alten Kistenmachermeister, der mir in meinen Kindertagen davon erzählte, wie sie bereits als Schulkinder in der Cigarrenstadt Bünde die Kistchen mit Hammer und Nägeln zusammensetzten, er dann später das Handwerk erlernte und schließlich im Alter von etwa 70 Jahren noch immer die Verantwortung trug. Und blickt man heute, Jahrzehnte später, in eine Kistenfertigung, so mutet sie noch immer wie eine Produktion aus vorindustrieller Zeit an, selbst in unserer modernen Informationsgesellschaft. Aber vielleicht, in ferner Zukunft, lassen sich die Links und Sites und E-Mails materialisieren.

Bis dahin aber gilt es weiterhin das Holz zu schälen, die dicken Furniere zu sägen und die einzelnen Brettchen zu fräsen, bedrucken, zusammenzusetzen und zu verleimen, zu schleifen, lackieren oder zu bekleben. Charniere und Verschlüsse müssen angebracht werden und vielleicht nach das nötige Lametta in Form von Etiketten, Siegelmarken oder Stickern.

Eine einfache Kiste besteht aus vier Brettchen, die den Rumpf bilden, der entweder mit Klammern geheftet, mit kleinen Nägeln genagelt oder mit ausgefrästen Holzzinken verleimt ist. Der Boden wird entweder geheftet oder geleimt und schließlich der flache Deckel mit Charnieren angeschlagen, hinzu kommt oft noch ein Klappverschluß.

Schatullen sind etwas aufwendiger. Ein verzinkter Rumpf wird mit Boden und Deckel verleimt, danach geschliffen und der noch geschlossene Kasten aufgesägt. Hernach werden die Charniere und zweiteiligen Verschlüsse angebracht und schließlich aus vier weiteren Brettchen ein umlaufender Steg eingeklebt, der verhindert, daß die seitlich liegenden Cigarren herausfallen oder gequetscht werden. Mit älteren bis ganz alten maschinellen Hilfsmitteln geschieht all dies in einzelnen Arbeitsschritten. Einige dieser Maschinen stammen noch aus der Jugendzeit unseres alten Kistenmeisters.

So hält man schließlich mit jeder Kiste ein Stück Individualität, Tradition und Geschichte in der Hand, ein Hoch auf unsere Sammelleidenschaft.

Etwas Gutes zu machen ist immer etwas mühevoll, doch die Holzkiste ist die beste Verpackung für die Cigarre. Sie lebt, sie atmet, nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie ab; ist sie aus Cedernholz tut sie noch etwas ganz besonderes: eigene ätherische Öle und Harze im Holz verleihen dem Tabak zusätzliche Aromastoffe, die einzigartig sind. Nur in dieser Verpackung können Sie Ihre hervorragenden Cigarren gut lagern und reifen lassen.

Manch einer mag darüber lächeln aber ein einfacher Versuch zeigt erstaunliche Ergebnisse. Nimmt man einige frische gerollte Cigarren und läßt sie lose an der Luft, in der Pappschachtel, einzeln im Alu Tubo, in der normalen Holzkiste oder schließlich in der Cedernholzkiste nachreifen, schmecken die gleichen Cigarren jeweils frappierend anders.

In der Tat gilt: je mehr Cigarren kompakt beisammen in einer Kiste nachreifen, desto ausgewogener der Rauchgenuß. Die Tatsachen sprechen klar gegen den Trend zu immer kleineren Packungen. Packungen mit ein bis fünf Cigarren sind der Hit, aber wir sind ja lernfähig.

Ach, wo wir gerade dabei sind, wissen Sie übrigens, wieviele Cigarren Sie bekommen, wenn Ihr Fachhändler Ihnen ein /40 also ein Vierzigstel verkauft oder ein /100 Hundertstel ? Ganz einfach, bei Cigarren rechnet man seit jeher mit 1000. Daher sind die Stückzahlen immer in Bruchteilen von 1000 angegeben. Ein Vierzigstel sind also 25 und ein Zwanzigstel z. B. 50 Cigarren.

Nur wenige Hölzer sind für Cigarrenkisten geeignet. Sie müssen entweder neutral im Geruch sein oder eben wie das einzigartige Cedernholz. Die meisten europäischen Hölzer sind ungeeignet, da sie zu starke Eigengerüche aufweisen und sich daher mit dem Tabak nicht vertragen. In schlechteren Zeiten nahm man schon mal Buche oder Pappel, was beides noch vertretbar ist. Da Tabak aber eine eher tropische Pflanze ist, sind letztendlich auch Hölzer von dort am ehesten geeignet - aus kontrollierter Forstwirtschaft versteht sich.

Gabun und Cedern sind die traditionellen Hölzer aber auch Lauan oder Mahagoni, um nur einige zu nennen. Cigarrenkisten in den verschiedenen Formen kennt ein jeder, deshalb schauen Sie sich ruhig einmal um, die Vielfalt ist fast unbeschreiblich.

Die sehr traditionellen und schönen mit Bildern und Streifen beklebten Holzkistchen, Handarbeit bis heute, verdienen aber als ein anderer Punkt unsere besondere Aufmerksamkeit. Es gibt wohl kaum eine Branche in welcher ein so umfassendes und faszinierendes graphisches Werk über die Generationen entstanden ist. In der Blüte der Cigarre gab es allein in Deutschland etwa 2.800 Cigarrenfabriken. Es gab Verlage, die nichts anderes machten, als Cigarrenausstattungen also Deckelbilder und Etiketten anzufertigen und diese Weltweit zu liefern. Diese Verlage hatten Niederlassungen in Übersee und schufen die Welt der Cigarre mit. Drucktechniken mit Tiefdruck und Prägung bis hin zu echter Blattgoldauflage erreichten eine Wertigkeit im Aussehen, die die heutigen Bilder nur noch erahnen lassen. Jeder Hersteller hatte eigene Serien und Marken, die dafür erforderlichen Bilder waren Legion. Immer ein Spiegelbild des jeweiligen Zeitgeistes mit Motiven aus der Kolonialzeit, den Anbaugebieten oder den militärischen Abbildungen aus der Kaiserzeit. Bei verschiedenen Ausstellungen hatte ich die höchst willkommene Gelegenheit alte Kataloge von Firmen wie Hermann Schött, Rudolf Schardinel oder Gebr. Klingenberg zu bewundern, ein Erlebnis und - leider Geschichte.

Das Tabakmuseum im westfälischen Bünde, als Stadt von etwa Mitte des letzten Jahrhunderts bis heute das Zentrum der deutschen Cigarrenindustrie, verfügt über etliche interessante Objekte, die des geneigten Betrachters Herz höher schlagen lassen. Die Cigarre ist also nicht nur ein außergewöhnliches Genußmittel, in all Ihren Erscheinungsformen verkörpert sie ebenso ein gutes Stück Kulturgeschichte.

Dies findet gerade in der kunstvollen Gestaltung der Verkaufsverpackung seinen besonderen Ausdruck. Betrachten wir daher die Cigarrenkiste nicht als schnödes Beiwerk, was nur den Müllkontainer zu füllen im Stande ist, sie ist auch Teil der Wertschätzung, die ein Hersteller selbst seiner Cigarre angedeihen lassen will. Sie ist ebenso Teil der träumerischen Phantasie, die das Öffnen der Schachtel und das vorsichtige Entnehmen der Cigarre zur heiligen Handlung werden läßt.

Viele fleißige Hände fangen die Sonne der Tropen für Sie ein und formen daraus etwas Neues und Einzigartiges, sorgsam verpackt mit Hilfe ebenso vieler fleißiger Hände. All dies prägt die Individualität und Persönlichkeit, die in jeder Cigarre steckt.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt: Rauchen ist ein Stück Illusion.

© Ph. Schuster
Quelle: www.schustercigars.de



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Mein kleiner Rauchsalon
von Matthias Flachmann
aus Duisburg
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