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Cigarrenfabrik August Schuster in Bünde
90 Jahre rauchige Tradition

Fährt man durch die ostwestfälische Stadt Bünde, fallen einem im Ortskern etliche sehr repräsentative Villen inmitten parkartiger Gärten auf. Ungewöhnlich für so eine eher kleine Stadt.

Hier wohnten in früheren Zeiten wohlhabende Fabrikantenfamilien, denn Bünde war einmal das deutsche Zentrum für Cigarren, und damit liess sich trefflich Geld verdienen. Die Zeiten haben sich geändert, zwar nennt sich Bünde immer noch "Zigarrenstadt", aber produziert wird im alten Stadtgebiet nur noch in einer einzigen, im Familienbesitz befindlichen Fabrik: bei August Schuster Cigarren in der Blumenstrasse. Der andere verbliebene Hersteller, Arnold Andre, hat in Bünde nurmehr die Verwaltung belassen.

Geführt wird die Cigarrenfabrik heute von Manfred und Philipp Schuster, und die kommende Generation ist schon durch Manfreds Sohn Oliver vertreten (manchen Zigarrenweltlesern aus unserem Montags-Chat bekannt). Am Detail erkennt man, dass die Uhren in manchem etwas anders gehen als es den Zeitläuften entsprechen mag: so findet man zum Beispiel im Bündener Telefonbuch anstatt der Fabrik den Namens-Eintrag "August Schuster", dazu eine 4(!)-stellige Telefonummer, die sicher aus der Zeit stammt, als es noch Kabelämter gab.

Seit der Firmengründung im Jahre 1909 werden bei August Schuster Cigarren produziert, und auch durch schwere Zeiten und den Stukturwandel hindurch hat man den Betrieb gerettet. Heute wird ein grosser Teil der Cigarren, die von renommierten Händlern in Deutschland als ihre Eigenmarken angeboten werden, hier produziert. Überwiegend maschinell zwar, aber auch in diesen Cigarren steckt noch erstaunlich viel Handarbeit. Das Gleiche gilt auch für Schusters renommierte Hausmarken Lepanto, Partageno y Cia und C. Mendoza, die den Liebhabern qualitativ hochwertiger Cigarren aus 100 % Tabak seit langem ein Begriff sind.

Ein Blick ins Rohtabaklager
Bei Schuster finden alle Produktionsschritte, vom Einlagern des Rohtabaks über das Rollen der Cigarren bis zum Versand der fertigen Kisten, im Hause statt. Ein Blick in das wunderbar duftende Tabaklager zeigt, dass eine immense Menge Tabak vorrätig gehalten wird, damit die Produktion jederzeit gewährleistet ist.

Die Tabake kommen aus den wichtigsten Anbaugebieten, aus Cuba, aus der Dominikanischen Republik, aus Brasilien, aus Java und Sumatra. Die cubanischen Tabakballen lassen sich im Lager leicht ausmachen, sind sie doch im Gegensatz zum Tabak aus den anderen Ländern in Palmblätter eingepackt. Gekauft wird der Tabak von Schusters in den Herkunftsländern direkt, sowie in Bremen, dem Einfuhrhafen für Tabak. Dass Bünde im 19. Jahrhundert zur Tabakstadt wurde hängt auch mit den günstigen Verkehrsverbindungen nach Bremen zusammen. Zusätzlich machte sich der Bau der Eisenbahnlinie Löhne-Osnabrück positiv bemerkbar, mit der Bahn konnte so der Tabak direkt aus den Niederlanden, damals Kolonialmacht in Indonesien, nach Bünde transportiert werden.

Die Ballen links enthalten cubanischen Rohtabak
Wenn es auch zahlreiche Farbriken gab, wurde doch die überwiegende Anzahl der Cigarren früher in Heimarbeit gerollt. Die Fabriken verteilten alle paar Wochen an alle Heimarbeiter den Rohtabak und holten später die fertig gerollten Cigarren wieder ab. Diese wurden dann in den Stammhäusern verpackt und versandfertig gemacht. Mehr als 10.000 Menschen arbeiteten zur Blütezeit in der Bündener Cigarrenindustrie. 1935 hatte Bünde 258 Cigarrenfabriken! Die Stadt wurde überaus wohlhabend und zählte bereits 1914 ein gutes Dutzend Millionäre. Und die bauten sich die Villen, die man heute noch im Stadtbild entdeckt. Von den Fabriken hingegen sind nur wenige stehen geblieben, sie dienen heute anderen Zwecken, z. B. als Wohnhäuser.

Wenn heute Manfred und Oliver Schuster morgens in ihre Fabrik, die letzte noch produzierende in der Stadt, gehen, durchqueren sie von der Schuster'schen Villa aus ein paar Meter einen schön verwilderten Garten und schon sind sie da. Das ganze Gelände liegt mitten im Bündener Wohnbereich, was das Produzieren nicht immer konfliktfrei und nur durch Einhaltung strenger, kostenintensiver Auflagen möglich macht. Insbesondere gegen Lärm- und Geruchsemissionen mussten teure Massnahmen unternommen werden.

Einige handgerollte Cigarren
Sicher am leisesten geht es an einem versteckt liegenden Arbeitsplatz zu, an dem in winziger Stückzahl noch einige rein handgemachte Cigarren gerollt werden, eine Kunst, die in absehbarer Zeit hier nicht mehr praktiziert werden wird. Die Kunst, Cigarren von Hand zu rollen, beherrschen nur noch ganz wenige Menschen in Deutschland. Übrigens hat der Hamburger Cigarrenhändler Stefan Appel, der in seinem Geschäft monatlich etwa 400 Cigarren händisch rollt, seine Kenntnisse darüber bei Schusters erworben.

Nach dem Rollen des Wickels werden die Cigarrenrohlinge in eine Presse gesteckt, wo sie ihre gleichmässige Form bekommen. Heute sind die Cigarren-Holzformen gesuchte Sammlerstücke, seinerzeit, als man von der handgefertigten Produktion Abschied nahm, wurden, wie Manfred Schuster erzählt, damit die Öfen befeuert. Was anders hätte man auch damals damit anfangen sollen? An eine erneute Verwendung war nicht mehr zu denken, die handgefertigte Cigarre aus Deutschland war nicht mehr konkurrenzfähig, zudem die Raucher mit den Maschinenprodukten durchaus zufrieden waren.

Ein Blick in die Schreinerei
Rund 40 Leute arbeiten heute in der Cigarrenfabrik August Schuster. Es gibt Maschinen zu bedienen, zu warten und zu reparieren, es werden die Cigarren mit einem nicht geringen händischen Anteil produziert, es werden die Kisten in der hauseigenen Schreinerei fabriziert und es wird verpackt und versendet. Wer die hübschen Kisten von Schuster kennt, der staunt, wie in der recht kleinen und einfach ausgestatteten Schreinerei das alles produziert werden kann.

Im Auslieferungslager schliesslich entdeckt man die Marken, die Schusters guten Ruf in der Tabakwelt begründen, und neben den genannten Hausmarken hat Schuster neue Cigarren kreiiert bzw. auf den Markt gebracht, zu nennen ist da vor allem die hochgelobte Regalia Fina, deren Longfillerformate aus Brasilien kommen (die kleineren Formate werden maschinell in Bünde gefertigt) und deren Mischung von Philipp Schuster entwickelt wurde. Ebenfalls findet man auf vielen fertigen Kisten Namen bekannter deutscher Cigarrenhändler, die hier ihre Brasil- odere Sumatrahausmarken produzieren lassen und für diese Cigarren eine treue Stammkundschaft haben.

Noch etwas interessantes habe ich an vielen Stellen in der Fabrik entdeckt: eine merkwürdige Pappdose, auf der das Wort "Lasiotrap" steht. Lasio...? Da klingelt doch etwas! Heißt der berüchtigte Tabakkäfer nicht Lasioderma? Richtig. Lasiotrap ist tatsächlich eine Falle für den Tabakkäfer, genauer gesagt, es dient als Nachweis für einen Befall durch den Schädling, mittels eines Sexualduftstoffes wird er angelockt und tappt in die Falle. Würde der Tabakkäfer nachgewiesen müssten entsprechende Massnahmen ergriffen werden, zum Beispiel das Einfrieren des Rohtabaks. Bevor er im Tabaklager oder in den fertigen Cigarren Unheil anrichten kann. Denn das könnte er wirklich...

Ein wenig erinnert die Cigarrenfabrik August Schuster an manchen Stellen eher an ein Museum als an ein produzierendes Werk, und wird man an einem Samstagnachmittag durch alle dann stillen Etagen geführt, sieht man immer wieder Zeugen vergangener Zeiten, alte Maschinen zum Beispiel, oder unter dem Dach die nach Norden ausgerichteten hohen Fenster, hinter denen bis heute an langen Tischen Arbeiter und Arbeiterinnen die Cigarren bei neutralem Licht nach Deckblattfarbe sortieren. Und der Aufzug ist nichts für ängstliche Gemüter :-).

Stolz ist man bei Schusters darauf, dass man hier ausschliesslich Cigarren und Cigarillos aus 100 % Tabak produziert, das heißt, es wird kein Bandtabak verarbeitet (Bandtabak = Kunsttabak aus Tabak- und Zelluloseresten, wird insbesondere für billige Cigarren und Cigarillos verwendet, erkennbar an der fehlenden Packungsgaufschrift "100 % Tabak").

Das Steuerzeichenamt in Bünde
Aus Bünde kommen bis heute die Steuerbanderolen für alle nach Deutschland eingeführten Tabakwaren, das Steuerzeichenamt liegt nicht weit vom Bahnhof der Stadt, eben so wie der frühere Tabakspeicher, in dem die angelieferten Ballen zunächst gelagert wurden, bevor sie an die einzelnen Fabriken weiter geleitet wurden. 

Der alte Tabakspeicher in Bünde

Übrigens besitzt die Stadt zur Erinnerung an ihre Vergangenheit als Tabakmetropole im Ortskern ein sehenswertes Tabakmuseum, das in einem alten Fachwerkhaus eingerichtet ist. Hier kann sich der Interessierte über alle Aspekte der Cigarrenindustrie informieren. Zu sehen gibt es auch ein originalgetreu rekonstruiertes Cigarrenmacherzimmer, das eindrucksvoll zeigt, wie früher in Heimarbeit die Cigarren gerollt wurden. Übrigens war das für die Arbeiter keineswegs die einzige Verdienstquelle: tagsüber ging man einer anderen Tätigkeit nach, sei es auf dem eigenen kleinen Hof oder im Dienst eines Grossbauern. Erst abends setzte man sich dann hin und rollte die Cigarren, bei ausreichender Geschicklichkeit bis zu 1.500 in der Woche. Eine Maschine bei Schuster hingegen schafft pro Tag bis zu 3.500 Stück!

Zuletzt sei noch erwähnt, dass Schuster auch einige karibische Longfiller importiert und vertreibt, so die Marken Vegas Dominicana, Cubita, Casa de Torres, La Fontana und Camacho, sie runden das Angebot der hausgemachten Cigarren ab. Und für die Zukunft sind schon einige interessante Pläne gemacht. Mehr über Schuster Cigarren, insbesondere einige schöne Texte von Philipp Schuster, kann man auf der von Oliver Schuster unterhaltenen Homepage des Unternehmens finden: www.schustercigars.de

© 2000 Archi W. Bechlenberg und www.zigarrenwelt.de


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Mein kleiner Rauchsalon
von Matthias Flachmann
aus Duisburg
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