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Quelle: Internet
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Quelle: AEIOU, das Kulturinformationssystem des BMBWK, Österreich

Austria Tabak: Herstellung von Virginia-Zigarren, um 1928



Schwergutzigarren
Von H. Aschenbrenner

Die Schwergutzigarren unterscheiden sich von den Kopfzigarren außer d urch ihren Gehalt an S c h w e r g u t, durch das Fehlen des Kopfes und das Aufkleben des Deckers in seiner ganzen Länge. Die Herstellung der Schwergutzigarren erfolgt nach dem auf den Philippinen entwickelten Arbeitssystem in Doppelwickeln (seltener in größeren Mehrfachwickeln), das glatt herumliegende Deckblatt hat sich jedoch nur bei den Toscani erhalten.

Schwergutzigarren europäischen Gebrauches sind Toscani, Walliser, Stumpen, Virginierzigarren und Kielzigarren.

Toscani
(Einzahl: Toscano) sind aus Kentucky ohne Umblatt hergestellte Doppelzigarren mit glatt herumliegenden, ganz aufgeklebtem 1) Decker (Kentucky), die entweder von der Fabrik in der Mitte zerschnitten (Mezzi - toscani) in den Handel kommen oder nach altem System erst vom Raucher zerteilt werden.

Die zur Toscaniherstellung ausgewählten Tabake werden zunächst in etwa 2500 kg umfassende Haufen bei einer Raumtemperatur von 20° C nochmals fermentiert. Die Haufenwärme wird anfänglich auf 30°, dann auf 40° und bei einer Fermentationsdauer von rund 20 Tagen in den letzten 5—8 Tagen auf 60 bis 65° C geleitet. Darauf werden die Einlagetabake bis zu einem Wassergehalt von 15—18% getrocknet. Da der Toscano kein Umblatt hat, ist keine Arbeitsteilung in Wickelmacher und Roller möglich. Die fertigen Toscani werden mit einem Schneideapparat auf die vorgeschriebene Länge geschnitten, dann in besonderen Trockenkesseln 1 Stunde bei einer Temperatur von 120° getrocknet und 24 Stunden abkühlen gelassen. Schließlich werden die Toscani in leicht geheizten Räumen in Regale geschichtet und reifen hier in nochmals 3 Monaten aus, wobei noch ziemlich heftige Fermentationsvorgänge ausklingen. Wegen dieser mehrmaligen Fermentation werden die Toscani häufig auch sigari fermentati (fermentierte Zigarren) genannt.

Hauptverbrauchsgebiete der Toscani sind Italien und die Schweiz (vor allem der Tessin), ferner einige amerikanische Länder mit vielen italienischen Einwanderern.

Nebenformen des Toscano sind die Walliser in der Schweiz (der Form nach Toscani, aber nicht mehr rein aus Schwergut bestehend, dem Tabak nach manchmal Stumpen nahekommend), die Napoletani in Süditalien und der Zigarillo "Roma" der italienischen Regie, ein Toscani-Zigarillo, meist maschinell hergestellt.

Die Stumpen sind ebenfalls eine, wenn auch entferntere Art der Toscani 2). Sie werden als Doppel-, seltener als Dreifachwickel hergestellt, jedoch heute mit einem spiralförmigen Decker versehen.

Der Stumpen ist zur typischen Schweizer Form der Zigarre geworden. Er hat sich von hier aus in anderen Ländern, besonders in Deutschland eingeführt. Neben normalen Zigarrentabaken, vor allem solchen aus Java, werden zu seiner Herstellung besonders Kentucky und der schwergutartige Rio Grande, daneben (in der Schweiz vereinzelt in den ganz billigen Sorten) einheimische Tabake verwendet. Als Umblatt herrschte früher ein solches aus Kentucky vor, heute solche aus Rio Grande-, Sumatra-und ganz bestimmten Javatabaken. Als Decker werden — ganz im Gegensatz zur Kopfzigarre, wenn man von Brasilzigarren absieht — dunklere, reifbraune Tabake, vor allem Javas und Vorstenlanden bevorzugt, ferner Brasil, seltener Mexiko, und hier und da auch hellere holländische Kolonialtabake.

Die Stumpen werden mittels Wickeltüchern (Wickelapparate, nicht Wickelmaschinen) hergestellt, und zwar in der Regel als doppelt-, seltener dreifach-lange Wickel, auf die anschließend der Decker unter Verwendung von Klebstoff aufgerollt wird. Diese Stangen kommen auf Rahmen in einen Trockenraum mit mittlerer Hitze und werden, wenn sie getrocknet sind, zum Anziehen in Kisten gelagert. Schließlich werden die Stangen nach Farben sortiert, in die eigentlichen Stumpen zerschnitten und in einem Vakuumschrank o. dgl. einer Schlußtrocknung (verkürzte Ablagerung) unterworfen3). Diese ungepreßte Form der Stumpen, die in den bekannten Papierrollen (Schweiz: "Päckli", "Bündli") in den Handel kommt, ist die ursprünglichste Form der Stumpen. Die eckigen (vierkantigen) Stumpen, für die die Blockpackung typisch ist, werden erst vor dem Zerschneiden in Preßkästen in diese Form gepreßt. Neueren Datums ist der sog. Formstumpen. Auch hierfür werden die Wickel mittels Wickeltuch, bei komplizierteren Fassons mittels sog. Fassonwicklern, hergestellt, dann in Wickelformen, die für Doppelwickel4) eingerichtet sind, gepreßt. Die Doppelwickel werden entweder vor dem Überrollen mit dem Decker oder auch nachher zerteilt. So können dann auch ovale Stumpen oder solche mit aufgepreßtem Profil hergestellt werden (ferner natürlich auch Zigarillos und Coronas [Kopfzigarren]).

Trotz der bei Verwendung von Doppelwickelformen u. U. gleichartigen Herstellungsweise von Stumpen und Zigarillos ist genau zwischen diesen beiden Produkten zu unterscheiden. Es dürfen also nicht wie in der Schweiz auch alle Zigarillos, soweit sie nicht ganz dünn sind, als Stumpen bezeichnet werden, wodurch der Begriff Stumpen bedauerlicherweise und wahrscheinlich sehr zum Schaden der Stumpenindustrie stark verwässert wird. Stumpen sind Zigarren ohne Kopf mit einem stets gleichbleibenden Durchmesser oder solche, die zu einem Ende sich gleichmäßig verjüngen 5) (also ähnlich einem Mezzo-Toscano), niemals z.B. aber ein eingezogenes Mundstück hüben. Auch die Arbeitstechnik spielt eine Rolle 6).

Die Wickeltücher 7) bestehen aus einem ähnlichen Mechanismus wie die bekannten (Taschen-) Zigarettenmaschinen. Das Tuch kann durch Stellvorrichtungen gelockert (dickerer Wickel) oder fester gespannt werden (dünnerer Wickel). Vor der Anfertigung eines Wickels wird das Tuch nach hinten gezogen und die Einlage in die hintere Rille am Wickelbrett eingelegt. Dann wird durch ein leichtes Drücken am Pedal die Wickelstange etwas vorgeschoben (damit der Tabak festgehalten wird), das Umblatt, mit der Rippenkante nach der Einlage zu, quer auf das Wickeltuch gelegt, worauf bei weiterem Druck auf das Pedal das Umblatt von der Wickelstange erfaßt und eingerollt wird.

Etwas komplizierter sind die Fassonwickler gebaut, die sowohl Doppel wickel (auch für Coronas, also Kopfzigarren) wie auch Einzelwickel (auch für Kopfzigarren) herstellen, Das jeweilige Fasson wird bei diesen Maschinen in einer Füllmulde vorgeformt und über Profilwalzen und Fassontisch fertiggestellt, drei Teile des Apparates, die für den Fall, daß ein anderes Fasson hergestellt werden soll, ausgewechselt werden können.

Die Stumpen werden auf zwei oder drei, seltener auf mehr Farben sortiert und dann vielfach unter Angabe der Farbe in den Handel gebracht oder nur grob sortiert und ohne Farbangabe geliefert.

In der Schweiz werden als Farbbezeeichnungen Abkürzungen der französischen Farbnamen gebracht:
B = brun = volles, reifes braun
C = clair = hellbraun
BC = brun/clair
N = noir = sattes dunkelbraun
BN = brun/noir
G = gris = grau (mausgrau)

Wegen der Herstellung als Doppelwickel werden die Stumpen vielfach, besonders in der Schweiz, als Doppelmille berechnet, d. h. mit 100 fakturierten Stumpen sind 100 Stumpenstangen gemeint, es werden also 200 (einzelne) Stumpen geliefert.

Die Virginierzigarre 8) wird aus dunklem Virginia oder auch aus Kentucky hergestellt; Rio Grande wird nur gelegentlich als Decker benutzt. Auf die Einlage, die mit einem erheblichen Feuchtigkeitsgehalt (etwa 28%) verarbeitet wird, wird der Alicantehalm (Espartogras), auf den bereits der Strohbiß aufgesteckt wurde, gelegt, mit Hilfe des Umblattes eine Puppe hergestellt, auf die dann der Decker in seiner ganzen Länge mit Concia (aromatisierter Klebstoff) bestrichen "aufgesponnen" wird. Entweder rollt dieselbe Arbeiterin, die den Wickel herstellt, auch den Decker über, oder es arbeitet eine Dreiergruppe aus 2 Wicklern und einem Roller zusammen.

Der Alicante-Halm (Esparto, Haifa), den ein in Spanien und Nordafrika wachsendes Reihergras 9) liefert, dient sowohl als Gerippe für die wahrend der Herstellung überaus feuchte Zigarre, als auch zur Sicherung des Luftens, das wegen der feuchten Einlage besonders gefährdet ist. Bevor der Alicante-Halm aufkam, wurde die Virginier wie ein Toscano, mit 2 Strohmundstücken, gearbeitet und hatte auch die Dicke eines Toscano. Heute kommen auch Virginier ohne Alicante-Halm auf den Markt, die dann (wie manchmal auch ganz dünne lange Zigarillos) auf Draht gearbeitet werden. Neuerdings werden an Stelle von Alicante-Halmen auch Halme aus Kunststoffen verwandt.

Die fertiggerollten Zigarren werden auf Rosten etwas ablagern gelassen, auf ihre Machart überprüft und dann gebündelt. Gebündelt werden in der Regel 25 Stück, wodurch die äußeren Zigarren die bekannte krumme Form annehmen, was vermieden werden kann, wenn jeweils nur 5 Stück gebündelt werden. Die Bündel werden mit Papier umhüllt und kommen für 5 Tage in eine Dörrkammer (neuerdings werden auch Vakuumschränke benutzt).

Die Temperatur wird am 1. Tag um 100° C gehalten, die Virginier werden "gekocht", wobei sich die Aromastoffe der Concia auf die ganze Zigarre verteilen. Am 2. Tag wird mit 80°, am 3. Tage mit 60° fertiggetrocknet. Die getrockneten Zigarren kommen in Maturierungskisten (vielfach Holzgestelle mit Gewebe bespannt), die entweder in Keller gestellt werden, während in weniger feuchten Räumen der Boden regelmäßig mit Wasser besprengt oder etwas Dampf in den Raum gelassen wird. Während dieses etwa 2V< Monate dauernden Maturierens erhalten die Zigarren ihren Glanz. Abschließend kommen die Zigarren in Lagerkisten, deren Wände mit Storaxlösung (seltener anderen Aromastoffen) bestrichen werden. Zwischen die Zigarren kommen Zwischenlagen aus Papier, die ebenfalls mit Storaxlösung bestrichen wurden. Die abschließende Lagerung dauert etwa 2 Mouate.

Die Sortierung der Virginierzigarren erfolgt nach der Farbe, in der Schweiz in neri ("schwarz"), light brown (mittelbraun) und chiari (hell), nach dem Aussehen in sceltissimi (erste Wahl), prima und comuni.

Ein Mittelding zwischen Stumpen und Virginier ist der Kielstumpen (die Kielzigarre). Der Form nach ist sie eine etwas gedrungene Virginier, dem Tabak nach Stumpen. Der Alicantehalm fehlt meist, an Stelle des Strohbisses sitzt in der Regel ein Gänsekiel.

Gänzlich anderer Herkunft als die Virginier sind die sog. Havana- und Brasil-Virginier, die auch keinerlei Schwergut enthalten. Sie stammen von in Norddeutschland (nach kubanischem Vorbild) aufgekommenen sog. P o s e n z i g a r r e n ab, die ursprünglich ein Mundstück aus Holz oder Bein trugen und auch in früheren Zeiten stets als Einzelwickel gearbeitet wurden. Die Havana-Virginier trägt heute vielfach einen Strohbiß oder auch einen Gänsekiel, manchmal ist auch ein Alicantehalm vorhanden. Der Name Havana-Virginier ist nur eine historische Herkunftsbezeichnung, der Decker besteht heute meist aus Sumatra, der Zusatz Virginier ist eine neuere "Erfindung", die auf die Virginierform anspielt, die diese Zigarre auch erst später in Angleichung an die Virginier angenommen hat; sie war noch vor etwa 60 Jahren eine reguläre Zigarre, an die nur ein Mundstück eingearbeitet war, ähnelte also durchaus jenen noch heute hin und wieder hergestellten Zigarillos mit Kielmundstück. Während die Havana-Virginier sich weiter verbreitet hat, wird die Brasil-Virginier (Decker Brasil oder dunkler Java, Strohbiß, mit oder ohne Alicantehalm) in erster Linie in der Tschechoslowakei geraucht (wo schon um 1800 der Brasiltabak sehr gesucht war, so daß man ihn zeitweise als "böhmischen Tabak" und die in den Hansestädten für diese Länder (hauptsächlich zum Schmuggel) hergestellten Brasilzigarren als "Böhmen" bezeichnete).

Die Herstellung der alten Zigarren mit Mundstück schildert W. Schmidt in seinem 1824 erschienenen Buch "Die Tabakfabrikation":

"Von einer etwas breiten, aber ziemlich leicht zu rauchenden Gattung von Tabackblättern werden die Spitzen abgeschnitten. Hierauf schneidet man einen fünf bis sechs Zoll langen und drei Zoll breiten Streifen oberhalb der abgeschnittenen Spitze so, daß die hinteren starken Ribben nebst dem oberen Theil des Blattes ganz wegfallen. Hat man sehr breite Blätter, aus welchen man zwei dergleichen Streifen in die Quere schneiden kann, so nimmt man auch wohl die Ribbe ganz heran. Wenn nun dergleichen Streifen in Vorrat geschnitten sind, so werden die Deckblätter zugeschnitten; hierzu muß man eine gute Gattung von Blättern wTählen, wenn auch die Einlage von geringem Gehalt ist. Hier wird die Ribbe der Länge nach ganz herausgerissen, dann werden die Streifen nach Verhältnis der Größe der zu bildenden Cigarre zugeschnitten. Diese Deckblätter können immer mit der Sauce etwas stark angefeuchtet werden; die Einlage hingegen bekommt keine Sauce, sondern sie wird ganz trocken eingelegt. Diese wird zuerst zusammengerollt, alsdann schlagt man das feuchte Deckblatt herum, fängt an dem Ende an zu umwickeln, wo die Cigarre angezündet wird und fährt bis zum entgegengesetzten Ende fort. Jetzt legt man das spitzig, fast wie eine Schreibfeder zugeschnittene Mundstück ein, wickelt das Ende vom Deckblatt herum und bindet es mit Bast. Wenn die Cigarren völlig trocken sind, wird der Bast losgebunden. Gewöhnlich bestreicht man die Cigarren, wenn sie in Kisten verpackt werden, noch besonders mit Sauce. Cigarren ohne Mundstück, welche aus besonders dazu verfertigten Mundstücken von Hörn. Silber und dergl. geraucht werden, verfertigt man auf ähnliche Art. Bei diesen muß man besonders darauf sehen, daß sie gehörig Luft behalten. Wenn mau Cigarren mit Mundstücken von Schilfrohr oder Federposen verfertigt und sie gehörig getrocknet hat, dann darf man nur das Mundstück behutsam herausziehen, die Cigarre hinter dem Bande mit einem scharfen Messer dien abschneiden und alsdann den Bast losbinden, so hat man die verlangte Art Cigarren ohne Mundstück."

Das zur Herstellung von Schwergutzigarren verwandte Schwergut wird in der Regel ausgelaugt. Aus dem Laugwasser kann Tabakextrakt gewonnen werden.

Von allen Tabakwaren sind die Zigarren diejenigen, die am wenigsten mit Soßen behandelt werden. Das Soßieren der Einlage war um 1840 zwar sehr üblich, doch handelte es sich dabei um Zigarren anderer Art als die heutigen Zigarren, in denen Maryland vorherrschte und etwas Virginia beigemischt war, während als Decker oft gelber Maryland verwandt wurde. In Übersee werden Zigarrentabake dagegen noch häufiger soßiert 10); so soll auch heute noch in den USA. manchmal Einlagetabak gesoßt werden, wie in Europa noch hin und wieder die Einlage von Virginierzigarren. Reste des Soßierens sind dagegen noch vielfach erhalten. Schon das Einlegen der Zigarren in die wohlriechenden Zedernkisten ist eine Art Parfümieren, ebenso das, vor allem noch von Kleinherstellern geübte, Bestreichen der Zigarrenkistchen mit Rum oder Arrak.

In der Concia der Virginierzigarrenherstellung 11), weniger in der Toscani-Concia befinden sich neben Klebemitteln regelmäßig Aromastoff, nicht weniger in den "Pappsoßen" vieler Stumpen, seltener im Klebstoff von Kopfzigarren.

Derartige Pappsoßen werden hergestellt, indem 1 l "Papp" 10—15 g einer fertig im Handel erhältlichen Aromaessenz zugesetzt, dazu u. U. auch noch Farbstoffe gegeben werden, damit etwa auf den Decker geratener Klebstoff weniger auffällt. Soßen für Virginier-Einlagen werden aus Tabakextrakt, Sirup, Kaskarillen, Veilchenwurzel, Wacholderextrakt, Lorbeerblättern in verschiedenen Mischungen hergestellt, vielfach auch brandfördernde Mittel zugesetzt. Mit derartigen Stoffen oder auch fertig bezogenen Essenzen wird auch die Concia aromatisiert.

In älteren Zigarrensoßen waren enthalten (je 20 Pfund Tabak):
A. 8 Lot Zucker, 2 Lot Salpeter, 1/4 Lot Tee, 1/2 Lot Zimt, 1/2 Lot Vanille, 1/4 Lot Gewürznelken.
B. (Virginier-Soße) 1 Lot Storax, 1 Lot Benzoe, 4 Lot Alkohol 12), 1/2 Lot Kalkarillen, 1/4 Liter Kardamomen.
C. 8 Lot Zucker, 2 Lot Veilchenwurzel, 12 Lot Mastix, 2 Lot Alkohol, 1/4 Lot grauer Ambra, 1/2 Lot Bergamottöl
D. 2 Lot Lavendelblüten, 1 Lot Veilchenwurzel, 1/4 Lot Kaskarillen, 1/4 Lot Rosenholz, ½ Lot Badian, ¼ Lot Zitronenöl, 2 Lot Franzbranntwein, 4 Lot Zucker.
E. 1 Lot Nelkenholz, 1/2 Lot Kaskarillen, 4 Lot Orangen bluten, 2 Lot Rosenwasser, ¼ Lot Zimt.
F. 1 Lot Rosenholzöl, 4 Lot Zucker. 4 Lot Franzbranntwein, 1 Lot Salpeter, 2 Lot Sassafrasholz, 1/2 Lot Paradiesholz, ¼ Lot Gewürznelken.

Mit brandfördernden und eine weiße Asche erzeugenden Mitteln (z. ß. Taverin, Tablanca) wird Zigarrentabak, in erster Linie Decker, aber auch Umblatt und Einlage behandelt. Die meisten brandfördernden Mittel werden in Wasser gelöst, mit dem die Blätter dann durchtränkt werden.

 

  1. Die verwandten aromatisierten Klebstoffe werden wie auch bei Virginier-Zigarren Concia genannt.
  2. Noch bis etwa 1880 wurden die Stumpen auch als Doppelstumpen verkauft, und der Raucher zerschnitt sich diese selbst — wie heute noch die Toscani, wenn er sich nicht die erst in jüngerer Zeit eingeführten Mezzi-Toscani kauft.
  3. Vielfach kommen die Stumpen dann (ebenso wie die Virginier-Zigarren) in Maturierungskisten, die manchmal auch (wie bei d
  4.  
  5. er Virginier-Herstellung) mit Aroma-Stoffen bestrichen werden.
  6. Etwa 1929 aufgekommen. Die Arbeit mit Doppelwickelformen ist vor allem auch umblattsparend.
  7. So zutreffend auch die frühere deutsche Reichstarifordnung für die Zigarrenherstellung: "Die Fassons für Stumpen werden eingeteilt in gerade und halbschräge."
  8. Nach der früheren deutschen Reichstarifordnung sind als Stumpen nur zu verstehen: Zigarren ohne Kopf, die in einem Arbeitsgang ohne Zwischentrocknung und ohne Pressen der Wickel (in Formen. Papier hüllen o. dgl.) hergestellt und deren Decker ganz mit Klebstoff bestrichen werden.
  9. Ähnliche Vorrichtungen zum gewerblichen Rollen von Maisblatt-Zigaretten scheinen übrigens in China unabhängig von Europa erfunden worden zu sein.
  10. Die Österreichische Tabakregie stellt das heutige Virginier-Format seit 1858 her, nachdem die Regie offiziell Virginier-Zigarren seit 1846 in den Fabriken Mailand und Venedig, seit 1848 auch in Hamburg und Schwaz fabriziert. 1847 wurde auf Anregung italienischer Emigranten in der Schweiz (in Brissago) die Virginier-Fabrikation begonnen.
  11. das in Spanien usw. auch zu Flechtarbeiten, zur Fasergewinnung und als Rohstoff zur Papierherstellung (auch Zigarettenpapier) verwandt wird
  12. insbesondere Zigarren mit Einlage aus Feinschnitt.
  13. Auch die Aromatisierung der Lagerkisten mit Storax gehört hierher.
  14. Alkohol ergibt eine steife, griesige Asche, wie sie Havanna-Importen haben, deren Tabak wenigstens gelegentlich mit Wein besprengt werden soll.

© und Quelle: H. Aschenbrenner, G. Stahl, Handbuch des Tabakhandels, 1950, 6. Aufl., Oldenburger Verlagshaus



Zur Genealogie der Schwergut-Zigarren

Von H. Aschenbrenner

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© und Quelle:
H. Aschenbrenner, G. Stahl,
Handbuch des Tabakhandels, 1950, 6. Aufl., Oldenburger Verlagshaus

Zu den zweifellos eigenartigsten Gebilden der Gruppe Zigarren gehören die Virginier-Zigarre und der Toscano (vielleicht besser Toscaner-Zigarre genannt), um die sich dann, das Resultat der Untersuchungen vorausnehmend, Kielzigarre, Stumpen, Walliser und als letzte Schöpfung dieser Gruppe (aus der Nachweltkriegszeit) der sigaretto Roma, gruppieren.

Dieser ganzen Gruppe einheitlich ist zunächst das Fehlen des Kopfes, eine Eigenschaft, die sie klar von der Gruppe der Kopfzigarren unterscheidet, die in älterer italienischer Literatur gelegentlich als "spanische Zigarren" bezeichnet werden, heute auch noch, in Gegenüberstellung zu Virginier und Toscaner als Tipi Avana (Havana-Typ), während man heute noch in der Schweiz gelegentlich Stumpen u. dgl. den "deutschen Zigarren", also Kopfzigarren, auf die frühere hanseatische Herkunft deutend, gegenüberstellt.

Weiteres Kennzeichen der behandelten Gruppe ist die ausschließliche Verwendung von ursprünglich amerikanischen Faßtabaken (Kentucky und dunkler Virginier) bei den Urtypen (Virginier und Toscano) und Beimischung dieser oder ähnlicher Tabake zu den späteren "aufgeleichterten" Typen, so daß zweckmäßig diese ganze Gruppe als Schwergut-Zigarren bezeichnet wird.

Schließlich wird bei sämtlichen Zigarren dieser Gruppe das Deckblatt unter Verwendung von Klebstoffen aufgerollt ("aufgeklebt"). Es ergeben sich dazu gewisse Hinweise auf die Manila-Zigarren, deren Decker häufig aufgeklebt ist, Hinweise, denen man wohl desto eher folgen kann, als anzunehmen ist, daß die Zigarre aus Spanien nach Italien kam.

Das Entwicklungsgebiet der Urtypen ist der nördliche Teil Italiens, Venetien für die Virginier-Zigarre, das ehemalige Herzogtum Toscana für den Toscano. Diese beiden Urformen dürften unabhängig voneinander entstanden sein. Nach Sacco (1) ist der Toscano etwa um 1830 üblich geworden, also zu einer Zeit, als in Venetien bereits die Virginier heimisch war. Die Angaben Saccos Weisen auch darauf hin, daß keine direkten Beziehungen zur Virginier bestanden, doch ist es wahrscheinlich, daß die handwerklichen Hersteller, die von den Großherzoglichen Appaltisten den importierten amerikanischen Tabak bezogen, die Virginier und ihre Herstellungsweise kannten, vielleicht auch versuchten, eine Virginier ohne Strohhalm herzustellen, ein Versuch, der durchaus bei der in der Mitte verstärkten Toscano enden kann. Für derartige Kenntnisse über die Herstellungsweise der Virginier spricht auch die Tatsache, daß die Rauchfertigmachung der Toscano eine ähnliche ist, wie die der Virginier, aber andererseits nicht so einfach ist, als daß sie ohne weiteres eigener Erfahrung entstammen dürfte. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß auf Erfahrungen bei der Herstellung gewisser Schnupftabake zurückgegriffen wurde.

Als typische spätere und heutige Verbreitungsgebiete der Toscano finden wir außer Italien vor allem die Schweiz, in erster Linie den Tessin, ferner alle, Gebiete, in die Italiener auswanderten (New York, Südamerika). In Süddeutschland, besonders in Oberbayern und Schwaben war die Toscano beliebt, solange sie eine Zweigfabrik der Italienischen Tabakregie in Mannheim herstellte, während die späteren von deutschen Fabriken hergestellten Toscani, die eigentlich schon mehr (gefärbte) Walliser waren, wenig Anklang fanden, so daß die Produktion eingestellt wurde.

Verbreitungsgebiet der Virginier ist neben Italien die ganze Schweiz, ganz Süddeutschland einschließlich insbesondere der Ostmark und das Protektorat Böhmen und Mähren.

Bei der Betrachtung der Raucher von Virginier und Toscani ist besonders in Italien auffallend, daß diese breitgewachsene, gedrungene Typen sind, die auch sonst zweifellos zu den Zyklothymen im Sinne Kretschmers gehören. Ähnliche Beobachtungen kann man auch in Süddeutschland und in der Schweiz hinsichtlich der Virginier-Raucher machen, obwohl auch der mehr athletische Typ vielfach an der Virginier Gefallen zu finden scheint, der sonst eigentlich zur Pfeife neigt. (Man darf dabei nicht übersehen, daß die ..Schwere" der Schwergut-Zigarren wohl weniger vom Nikotin kommt, als von anderen Bestandteilen des Rauches.)

Andere, schon etwas mehr zur Asthenie neigende Konstitutionstypen, wie sie z. B. häufig in den deutschen und französischen Teilen der Schweiz anzutreffen sind, haben offensichtlich an diesen Schwergut-Zigarren keinen Gefallen, sondern tendieren mehr deren ,.aufgeleichterten" Formen.

Wir finden so als ursprüngliches und typisches Schweizer Erzeugnis den Stumpen, hergestellt aus normalen Zigarren-Tabaken, jedoch unter mehr oder minder starker Beimischung von Schwergut (Kentucky, bestimmte Typen von Rio Grande), der auch in Süddeutschland, wohin die Schweizer Fabriken späterhin Filialen verlegten, zahlreiche Anhänger hat. Zweifellos ist der Stumpen eine Fortentwicklung der Toscano, die im rauchfertigen, d.h. entzweigeschnittenen Zustand (Mezzo-Toscano) schon ziemliche Ähnlichkeit mit einem Stumpen hat. Eine andere Fortentwicklung sind die augenscheinlich nur in der Schweiz bekannten Walliser. Diese Zigarren sind der Form nach noch ausgesprochene Toscani, bestehen dem Tabak nach jedoch mehr aus Stumpenmischungen, wobei jedoch auch Walliser bekannt sind, die einen Schwergutdecker haben, während die Einlage aus "leichteren" Tabaken besteht oder wenigstens erhebliche Beimischungen solcher Tabake aufweist. Manchmal ist der Decker auch dunkel gefärbt, "geschwärzt". Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Walliser in der Regel, d. h. soweit sie nicht Decker aus Schwergut haben, zum Rauchen nicht mehr wie Toscani entzweigeschnitten resp. entzweigebrochen werden.

Weitere "Aufleichterungen" sind die Havana-Virginier, die neben normalen Zigarrentabaken manchmal auch noch Schwergut enthält, manchmal auch nicht mehr, und die Kielzigarre, die aus Stumpenmischungen besteht. Die Kielzigarre enthält als Biß in der Regel einen Gänsekiel, die Virginier einen Strohhalm, und meist auch einen langen, durch die ganze Zigarre hindurchgehenden Halm Alicante (Espartogras). Es sind aber auch Virginier bekannt (insbesondere Havana-Virginier), die neben einem Gänsekiel einen Alicantehalm haben, während andererseits das Fehlen des Alicantehalmes aus der Virginier noch keine Kielzigarre macht. So enthält z. B. die italienische Virginier vom Typ Venetia einen Alicante-Halm, die vom Typ Trieste dagegen keinen, ebenso wie die "Virginier-Virzinki" des Tabakmonopoles von Böhmen und Mähren. Dagegen enthält die für das Protektorat typische Aufleichterung der Virginier, die etwas kürzere Brasil-Virginier — Brasilske Virzinki — wieder einen Stohhalm.

Interessant sind auch die in Italien bekannten "Aufleichterungen" der Toscani, nämlich die "Toscani attenua ti di nicotina", die vermutlich stärker ausgelaugt wird und der sigaretto "Roma", praktisch ein Toscani-Zigarillo, dessen Einführung Sacco aus der Notwendigkeit schildert, dem Verlangen des Rauchers nach einem kürzeren Rauchgenuß ("Wechsel der Einstellung durch den Weltkrieg 1914/18") entgegenzukommen. Ohne auf die Frage einzugehen, ob gerade der Zug zu einem kürzeren Rauchgenuß vorhanden ist, oder ob andere Gründe wesenlich sind (2), darf nicht übersehen werden, daß der Roma wesentlich dünner als ein normaler Toscano ist, deshalb auch zweifellos leichter wirkt.

Die hier geschilderte Entwicklung war deutlich an Hand der bis auf fast 1850 zurückgehenden Zigarrensammlungen ersichtlich, die auf der Ausstellung "II tabacco nei tempi e nei costumi", Verona 1940, gezeigt wurden. So waren für die Entwicklung diejenigen Toscani von Interesse, die fast Stumpenform hatten, ebenso diejenigen, die in normaler Länge eines Toscani der Form nach den keulenförmigen Charutos (oder einem halben Toscani) ähnelten. Nicht weniger gilt dies von Toscani-Abarten älterer italienischer Provenienz, die wenigstens dem Decker nach zu schließen "aufgeleichtert" waren.

Wir haben es also bei den "Schwergut-Zigarren" um eine Gruppe zu tun, die sich durch folgende vier Merkmale von anderen Zigarren unterscheidet:

1) Herstellung aus Schwergut allein (Virginier, Toscano, Roma), oder wenigstens eine wesentliche Beimischung von Schwergut (Stumpen, Walliser, Kielzigarren und evtl. Havana-Virginier).
2) Fehlen eines Kopfes.
3) Aufklebung des Deckers und
4) Herkunft der Urtypen aus dem nördlichen Teil Italiens und Fortentwicklung zu aufgeleichterten Typen in erster Linie in der Schweiz (Walliser, Stumpen, Kielzigarre).


(1) "Circa la designazione .Toscano' affermata dall'industria Italiana dei tabaechi". Acta Nicotiana (Der Tabak) Bd. III, Berlin 1942.
(2) Vgl. H. Asehenbrenner "Der Mensch als Träger der Stufen, Stile und Epochen".

© und Quelle: Chronica Nicotiana, Zeitschrift der Internationalen Tabakwissenschaftlichen Gesellschaft, Hrsg. Helmuth Aschenbrenner, Band V, Heft 1, 5. (8.) Jahrgang

Erklärung zu Schwergut-Tabak
- dunkel, kräftig, schwer, fett, harzreich
- die Tabake bestehen aus ursprünglich amerikanischen Faßtabaken wie dunklem Virginia und Kentucky, desweiteren geeignete ungarische und deutsche Tabake
- Anwendung der Tabake in Kautabak (Kentucky), Schnupftabak, in Rauchtabak und Feinschnitt -> "Schwarzer Krauser", in Zigarren

Erklärung zu Schwergut-Zigarren
- nennen sich so wegen ihres hohen Anteils an Schwergut (siehe oben)
- Zigarren-Sorten: Virginier, Toscani, Kielzigarre, Stumpen und abgewandelte Sorten (siehe Text)
- Merkmale: Kopf fehlt bzw ist flach abgeschnitten (Stumpen, Toscani) oder mündet in einem Kiel oder Strohhalm
- im Unterschied zu der Kopfzigarre wird der Decker in seiner gesamten Länge aufgeklebt.

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