06.09.2002 / Lokales / Duisburg
Selbstgerollte Zigarren aus Mündelheim
Fabrik wurde 1910 geschlossen
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden in Mündelheim Zigarren hergestellt. Noch
1950 lebte in Ehingen ein ehemaliger Zigarrenwickler, der sein Handwerk in Mündelheim
gelernt hatte und sich Zigarrenfabrikant nennen durfte.
Die Zigarrenfabrik war im "Stäpseshof" untergebracht, heutige Hausnummer 13c
der Straße "Am Seltenreich". Sie war 1856 von dem Kaufmann Linden eingerichtet
worden und beschäftigte 20 Arbeitskräfte. Der Betreiber war ein gewichtiger Herr. Man
erzählt von 150 kg Körpergewicht.
Es ist anzunehmen, dass die Arbeitsbedingungen kaum das Wohl der Arbeitenden
berücksichtigen. Im Jahre 1886, also 30 Jahre nach Produktionsbeginn, scheint der
Bürgermeister des Amtes Angermund sich persönlich von den Zuständen überzeugt zu
haben, wie aus seinem Bericht an den Landrat geschlossen werden kann:
"Die Arbeitsräume sind im Verhältnis zu der Anzahl der darin beschäftigen
Arbeitskräfte zu klein. Wegen der zu kleinen oder gar fehlenden Fenster fehlt es an
Licht. Es gibt keine Ventilatoren. Durch das Trocknen und Lagern in den Arbeitsräumen
herrscht in den Räumen eine mit Dünsten angeschwängerte Luft, dass es einem an gute
Luft und Licht gewöhnten Menschen nicht möglich ist, dort länger zu verweilen."
Als guter Bürgermeister schlägt er vor, dass Bestimmungen erlassen werden, welche die
Situation der Arbeiter verbessern helfen:
"Der Arbeitsraum soll eine lichte Höhe von mindestens 2,50 m aufweisen. Der
Minimal-Luftraum je beschäftigter Person soll mindestens zehn Kubikmeter betragen. Das
Lagern und Trocknen von Tabakvorräten in den Arbeitsräumen ist untersagt. Jeder
Arbeitsraum muss mit verstellbaren Oberlichtern versehen sein."
Möglicherweise haben diese Vorschläge des Bürgermeisters Baasel mit dazu beigetragen,
dass 1888 Vorschriften über die Einrichtung von Betrieben zur Anfertigung von Zigarren
erlassen wurden. Dem Fabrikanten Stäps, Nachbesitzer des Fabrikbegründers Linden, wurde
nach vorgenommenen Verbesserungen die weitere Fabrikationsgenehmigung erteilt.
Dem Bürgermeister waren bei seinem Besuch in Mündelheim aber auch Zustände aufgefallen,
die seiner Meinung nach sittlich bedenklich und darum abzustellen waren. Er empfand es als
großen Missstand, das jugendliche männliche und weibliche Arbeiter, die sogenannten
Wickelmacher, in denselben Arbeitsräumen beschäftigt wurden, und führte die vielfachen
unehelichen Geburten bei den Töchtern der Zigarrenmacher als Beweis an.
An die Familie Linden erinnert noch eine große Grabstätte in der Mitte des Mündelheimer
Friedhofs. Dort wurden neben dem 1883 verstorbenen Fabrikanten sieben seiner
frühverstorbenen Kinder beigesetzt. Die Zigarrenfabrikation endete schon 1910. Aus:
Mündelheim - Heimat im Rheinbogen
WAZ Duisburg
http://hugo-archiv.waz.de/detail.php?query=218563&article=38970938