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WIRTSCHAFTSSTANDORT GIEßEN 2001 / 2002
Zigarrenindustrie (Stand: 10.08.2001 )
Einst strukturbestimmend: Zigarrenindustrie in Gießen

Autor: Steffen Rinn
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Wie in Hamburg, so auch in Bremen entstanden etliche Zigarrenfabriken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, um der steigenden Nachfrage nach dem neuen Tabakgenussmittel „Zigarre" nachkommen zu können. Doch die fortschreitende Industrialisierung in diesen beiden Hansestädten - gefolgt von steigenden Löhnen - hat diese Standorte für die lohnintensive Zigarrenfabrikation unattraktiv werden lassen. Hinzu kamen die Auswirkungen des Zollvereins, dem die beiden Hansestädte nicht beigetreten waren. Die durch den Importzoll erheblich verteuerten Zigarren aus Hamburg und Bremen fanden nicht mehr die entsprechende Nachfrage in den Mitgliedsländern des Zollvereins. Wegen dieser Entwicklung suchten die Zigarrenhersteller nach neuen Standorten. Sie bevorzugten solche in strukturarmen Regionen des Zollvereins.

Neben Ostwestfalen, dem Thüringer Wald und dem Eichsfeld sowie dem Badischen wurde die für die Zigarrenindustrie geeignete Struktur in dem Großraum „Gießen-Marburg-Wetzlar" gefunden. Die dortigen Dörfer waren geprägt durch vorwiegend kleinbäuerliche Betriebe und eine nicht vorhandene verkehrsmäßige Anbindung an die in der Nähe gelegenen Städte. Industrie gab es auf dem Lande so gut wie nicht.

Die erste Zigarrenfabrik in dieser Region wurde um 1836 in Gießen gegründet, weitere Betriebe entstanden in den umliegenden Dörfern. Ende des 19. Jahrhunderts wurden über 3.000 Personen in der Zigarrenindustrie im hiesigen Raum beschäftigt. Diese Zahl verdoppelte sich auf knapp 6.000 im Jahr 1914. Der Höchststand wurde im Jahr 1936 erreicht; es sollen damals ca. 10.000 Menschen in der hiesigen Zigarrenindustrie gearbeitet haben - eine Folge der stetig wachsenden Beliebtheit der „Zigarre".


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Der Strukturwandel für unsere hiesige Zigarrenindustrie hätte vermutlich schon in den 30er
Jahren des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Doch das in 1933 erlassene Maschinenverbots-Gesetz verhinderte die Einführung des technischen Fortschritts in den Filialbetrieben.

Die damalige hohe Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise war die Ursache für dieses Verbot. Aber noch mehr haben die Auswirkungen im und nach dem zweiten Weltkrieg den Zigarrenbetrieben einen strukturellen Stillstand aufgebürdet. Zigarrenfabriken wurden umfunktioniert zu Rüstungsgüter-Betrieben. Die Belegschaften wurden in andere Industrien dienstverpflichtet und einige Zigarrenfabriken wurden durch Bombenangriffe zerstört.

Nachdem der wirtschaftliche Alltag auch in die Zigarrenbetriebe wieder einkehren konnte und diese mit den notwendigen Rohtabaken versorgt wurden, konnten diese Produktionsstätten wieder voll produzieren - so wie sie es vor Beginn des Krieges taten. Erst in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre setzte ein Prozess ein, der für unsere hiesige Zigarrenindustrie zu einem dramatischen Strukturwandel führte. Die Manufaktur wurde abgelöst von der industriellen Fertigung mit vielen einschneidenden Konsequenzen auf den Standort und die Beschäftigten.

Für diese neue Entwicklung spielte zufälligerweise das Jahr 1958 eine besondere Rolle. Zeitgleich - von der Ursächlichkeit unabhängig voneinander - wurde das Maschinenverbots-Gesetz aufgehoben, und die Zigarrenindustrie erlebte in den alten Bundesländern ihre höchste Absatzzahl nach dem Krieg aufgrund des hohen Nachholbedarfes in dieser Nachkriegszeit.

Doch von nun an verlief die Absatzkurve stetig nach unten. Die „Zigarre" wurde unmodern, sie verlor stetig an Popularität. Die mengenmäßige Rückläufigkeit betrug bis zum Jahr 1989 - in dem Jahr, in dem in den USA die ersten Anzeichen für die Renaissance des Zigarrenkonsums zu erkennen waren - über 70 %.

Zusätzlich zu dieser auch für die hiesigen Zigarrenbetriebe sehr negativen Entwicklung verlagerte sich die Rauchgewohnheit von der großen Zigarre zum kleinen Zigarillo, eine Änderung der Verhaltensweise, die negative Auswirkungen auf die Beschäftigungsintensität haben musste.

Aber nicht nur die Folgen dieser Entwicklung auf dem Markt bereiteten den Zigarrenbetrieben große Probleme. Auch die unzureichende Möglichkeit, die Verkaufspreise den Kostenerhöhungen anzupassen - verursacht durch die Absatzrückgänge -, zwangen die Hersteller, unter hohem Kapitalaufwand Rationalisierungsmaßnahmen zu ergreifen, soweit sie sich weiterhin in der Zigarrenindustrie behaupten wollten.

So mussten - aufgrund ihrer Einzelanfertigung - teure Produktionsmaschinen angeschafft werden. Die bisher für die Handarbeit geeigneten Räumlichkeiten waren für die industrielle Fertigung durch erhebliche bauliche Veränderungen umzugestalten.

Der hohe Kapitalbedarf für die notwendigen Maschinen- und Gebäudeinvestitionen konnte vielerorts nicht aufgebracht werden. Die Schließung von Betrieben war die Folge. Während Ende der 50er-Jahre noch ca. 12 eigenständige Unternehmen vorhanden waren, gab es 1970 nur noch drei Hersteller in unserer Region.


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Quelle: European Business Network



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von Matthias Flachmann
aus Duisburg
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