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Ingo Schubart und Norbert Peter Einzige Zigarrenfabrik Bayerns - Sechs Frauen produzieren jährlich rund eine halbe Million Zigarren und Zigarillos Perlesreut. Es riecht ein wenig rauchig und zugleich leicht süßlich. Wir befinden uns in der einzigen Zigarrenfabrik Bayerns - bei der Firma Wolf & Ruhland in dem kleinen Markt Perlesreut (Landkreis Freyung-Grafenau). Rund 500 000 Zigarren und Zigarillos werden hier im Jahr von sechs Mitarbeiterinnen produziert. "An den Tischen sitzen in langen Reihen die gleichheitlich und sauber gewandeten Zigarrendreherinnen." Diese Worte schrieb kein anderer als der berühmte Heimatdichter Max Peinkofer 1931 für die Donau-Zeitung. Idyllisch soll die Atmosphäre gewesen sein: "Ein ausgezeichneter Lautsprecher überträgt Musik von Rundfunk oder Grammophon in die Arbeitsräume." Was bei anderen Firmen undenkbar wäre; bei Wolf & Ruhland gibt es diese Idylle noch in vielen Bereichen. Im Inneren des Firmen-Anwesens rollen sechs Frauen im warmen Licht alter Emaillampen auf Arbeitstischen, auf denen die Jahrzehnte deutliche Spuren hinterlassen haben, bayerische Stammtisch-Klassiker: 21 Zentimeter lange Bayerwald-Virginias, Hausmarke "Edelweiß". Rosa Pauli schneidet ein dunkles Deckblatt aus Kentucky-Tabak zu und wickelt es um eine Zigarre. Zuvor wurden die Rohtabake aus der wohltemperierten Lagerung genommen, wobei jeweils fünf Blätter zusammengebündet sind. Nach dem Wässern der Blätter erfolgte eine "Halbtrocknung." Anschließend wurden die Blätter entrippt und schließlich gerollt. Und jetzt gibt Rosa Pauli der Zigarre mit dem mit Weizenstärke angefeuchteten Deckblatt den letzten Schliff. Dabei unterhält sie sich mit ihrer Kollegin über Kochrezepte und trinkt nebenbei ihren Kaffee. Dennoch kommen bis zu 140 Zigarren in der Stunde zusammen - die Frauen sind eben Meister ihres Faches. Die 49-Jährige ist aber auch schon seit 25 Jahren "dabei", und die Arbeit macht ihr immer noch Spaß: "Man kommt von zu Hause raus und das Zubrot kann man gut gebrauchen." Während die Frauen 13 unterschiedliche Sorten von Zigarren füllen, wickeln und zum Trocknen bereitlegen, kümmert sich Firmenchef Hermann Hilz, der das Unternehmen in der dritten Generation führt, darum, dass die Tabakmischung stimmt. Verwendet wird vor allem dunkler Kentucky-Tabak, der verantwortlich ist für das Aroma in der kleinen Werkstatt im Hinterhof des Perlesreuter Marktplatzes. Der Kentucky-Tabak kommt direkt aus Amerika. Daneben werden der süßlich riechende Virginia-Tabak verarbeitet sowie brasilianische und indonesische Rohware, die Hilz an der Tabakbörse in Bremen einkauft. "Von deutschem Tabak lassen wir die Hände, er ist qualitativ geringwertig, eignet sich eher für Zigaretten", erklärt Hilz. Der Firmen-Chef ist stolz, der einzige Zigarrenhersteller in Bayern zu sein. Zum Vergleich, so gibt der 63-Jährige an, habe es nach dem Krieg in ganz Deutschland noch 2600 Zigarrenhersteller gegeben. Perlesreut war dabei seit 1870 eine Hochburg der Tabakherstellung. Anton Bogenstätter stellte den berühmten "Perlesreuter Schmalzler" her, bis die Produktion 1917 eingestellt wurde. Die Perlesreuter Tabaktradition war dennoch nicht zu Ende, denn im selben Jahr gründete Hermann Wolf eine "Tabkakmanufaktur". Schon bald beschäftigte das Unternehmen über 200 Mitarbeiter - fast alles Frauen aus der Umgebung. Doch im Laufe der Jahrzehnte verlor die Tabakherstellung an Bedeutung. Die Firma Wolf hat aber zumindest überlebt. Aber die Konkurrenz sitzt Hermann Hilz im Nacken. Über 1500 Importeure hat er gezählt, die sich auf dem deutschen Markt tummeln. Aber auch Nischenprodukte, wie aromatisierte Zigarillos, die von der deutschen Zigarettenindustrie vertrieben werden, machen ihm zu schaffen. Dennoch hat er rund 1000 Kunden. Er produziert zum Teil unter Lizenz für den Großhandel, unter eigenem Namen für Tabakfachgeschäfte die Gastronomie und Privatkunden. Preislich seien seien Produkte "absolut konkurrenzfähig", sagt er und rechnet vor: Für ein Edelweiß-Kiel-Zigarillo zahlt man 35 Cent, für eine Wolf & Ruhland Brasil Panatela 1,30 Euro. Über die Zukunft seiner kleinen Fabrik will Hilz noch nicht so richtig nachdenken. "Besser wird das Geschäft nicht", sagt er. Trotzdem hofft er, dass eine seiner drei Töchter in seine Fußstapfen treten wird. 1403677, PNP , 03.12.04; Words: 617, NO: 29-7105365 Quelle: www.pnp.de
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