Zu Besuch in der letzten
kleinen Zigarrenfabrik der Region. Als Karl-Heinz Messmer geboren wurde, gab es in
Deutschland mehr als zweitausend Zigarrenfabriken.
Damals rauchten
viele dicke Männer noch viel dickere Zigarren. Der
"Wohlstand-für-alle-Kanzler" Ludwig Erhard verkörperte nicht nur das deutsche
Nachkriegswirtschaftswunder, sondern war auch die Ikone einer florierenden deutschen
Zigarrenindustrie. Kein EG-Minister warnte damals vor Lungenkrebs und Suchtgefahr.
Trotzdem ging es mit den dicken Dingern bergab. Die deutschen Männer griffen nicht mehr
zur Zigarre. In den achtziger Jahren gab es nur noch 200 heimische
Zigarrenfabriken. Filterzigaretten kamen in Mode, Opas stinkende Stumpen wollte
niemand mehr rauchen.
"Heute gibt es nur noch elf Zigarrenfabriken in Deutschland. In der
Region sind es nur noch zwei: Villiger - die Großen; und wir - die Kleinen," sagt
Karl-Heinz Messmer und raucht. Einen seiner eigenen Zigarillos selbstverständlich.
Gerade ist hier in Watterdingen bei Tengen ein LKW mit zehn Tonnen Tabakblättern im Hof
der Messmerschen Zigarrenfabrik angekommen. Genügend Vorrat für drei Jahre
"Messmer-Zigarren". Drei Männer verladen die Kühlschrank großen, zwei Zentner
schweren Tabakballen. Ohne Eile, mit einem Stumpen im Mundwinkel. Auch der Chef hat Muße
für einen Zigarillo. Oder zwei.
In den neunziger Jahren waren Zigarren plötzlich wieder in aller Munde: Die
Lifestyle-Generation hatte die Zigarre entdeckt. Aber nicht die Fabrikate traditioneller
deutscher Herstellung, sondern schicke, teure kubanische Marken mit exotischen Namen wie
"Cohiba" oder "Montechristo". Gutgefönte Fußballmanager und
größenwahnsinnige Nachwuchsschauspieler strecken die dampfenden Statussymbole ungeniert
in die TV-Kameras. Der aktuelle Kanzler raucht sie auch.
In Messmers kleiner Fabrikhalle werden jährlich zehn Millionen Zigarillos und Zigarren
gerollt. Vierzig Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waschen und befeuchten edle
Tabakblätter aus Sumatara, Java und Brasilien. Die mittlere Blattrippe entfernt eine
Maschine und zerteilt linke und rechte Blatthälften. "Hier darf nichts durcheinander
geraten", sagt Karl-Heinz Messmer, "aber ich muß jetzt ins Tabaklager, damit
beim Abladen nichts durcheinander kommt. Den Rest erklärt Ihnen mein Vater..."
"Seit sechzig Jahren beschäftige ich mich mit Tabak. Und ich habe es immer noch
nicht satt", lächelt Seniorchef Walter Messmer, in der Hand natürlich einen
Zigarillo. Dann erklärt uns der rüstige 77jährige, wie eine Messmer-Zigarre entsteht.
Zuerst wird ein eigens hergestellter, süßlich duftender Pfeifentabak für die Füllung
verwendet. Aromatischen Pfeifentabak in einen Zigarrentabak-Mantel zu füllen, das war
1986 Messmers neuartige Idee gewesen auf der Suche nach einer Marktlücke. Aus der
Marktlücke wurde das Erfolgsgeheimnis des kleinen Familienbetriebes.
Die Maschine füllt den Pfeifentabak in ein gestanztes Stück Tabakblatt (sog.
"Umblatt") und wird in Form gerollt. Die halbfertige Zigarre kommt in eine
andere Maschine, wo Akkordarbeiterinnen möglichst viele der außen liegenden Deckblätter
ausstanzen. Eine Nadel in der Maschine greift das Deckblatt und wickelt sie um die
halbfertige Zigarre - fertig. Alle Messmer-Zigarren werden ausschließlich aus echtem
Tabak hergestellt. Bei vielen Herstellern ist das anders: Um billiger produzieren zu
können, wird statt echten Blättern auch eine Art braunes "Tabakpapier" aus
Tabakstaub, Zellulose und Leim verwendet. In Messmers Zigarren kommen nur echte, zerlegte
Tabakblätter. "In der einen Maschine werden nur rechte Blatthälfte verwendet. Eine
andere verarbeitet ausschließlich linke Hälften. Man kann die Blätter nur in
Wuchsrichtung rollen. Sonst gehen sie wieder auf," lächelt Messmer Senior und zieht
genüsslich am Zigarillo.